Schult und Zühne

Jetzt lebe ich schon lange Jahre in Hessen und falle immer noch auf die sprachlichen Tücken dieser Region hinein. Lange vorbei sind die Jahre, als ich mich auf einer Beerdigung darüber mokierte, dass der Pfarrer von sich behauptete, er bekleide Menschen bis in den Tod. Hielt sich der Gottesmann für einen Designer? Wohl kaum. Natürlich begleitet er Menschen bis in den Tod, konnte es nur nicht richtig artikulieren. Wie viele Bewohner dieses Landstriches, spricht er weiche Konsonanten hart aus und umgekehrt. In Hessen sind die Straße klatt, die Menschen haben Propleme und gehen in die Kirsche. Normalerweise transformiere ich die sinnentfremdete Bedeutung solcher Worte gekonnt. Auch ergänze ich routiniert das fehlende »R«, wenn ich zum Beispiel Freunde im nächsten Ott auf den Mackt treffen soll. Doch manchmal tappe ich eben doch noch in die Falle:

Man mag sich mein Staunen vorstellen, als mir ein Bekannter im Sommer erzählte, er habe sich eine Seidenmakise geleistet. Ich erkannte sofort, dass es sich um den Erwerb einer Markise handelte. Fragte mich aber, ob Seide nicht sehr teuer und als Material überhaupt für eine Markise geeignet sei. Der Bekannte fühlte sich aufgrund meiner detaillierten Nachfragen geschmeichelt.

„So besonders ist eine Seidenmarkise nun auch wieder nicht,“ wiegelte er bescheiden ab.

„Aber warum hast Du sie dann gekauft?“, wollte ich wissen.

„Na, wenn der Wind von Ecke pfeift, dann sitzt man auf unserer Terrasse immer so ungemütlich.“

Da erst verstand ich, dass er sich eine Seitenmarkise zugelegt hatte.

Kurz vor dem Jahreswechsel passierte es dann erneut. Wir hatten unserer Nachbarin mit Milch und Eiern ausgeholfen, die ihr zum Backen gefehlt hatten. Als sie am nächsten Tag vom Einkaufen kam, brachte sie uns Ersatz für die geliehenen Zutaten und sagte:

„Ich gehe nicht mit Schulten ins neue Jahr?“

„Ach,“ wunderte ich mich. „Ich dachte, ihr feierst mit Deiner Schwester.“

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