Spieglein, Spieglein,…

„Und wie sehe ich aus?“, fragt die Brünette mit den dunklen Ringen unter den Augen zweifelnd, als ich den Aufzug betrete. Sie studiert ihre desolate Erscheinung kritisch im Spiegel des Fahrstuhls.

„Gut,“ lügt ihre dralle Freundin. Ich beobachte die beiden verstohlen aus den Augenwinkeln. Wieder zwei Patientinnen aus der psychosomatischen Tagesklinik in der fünften Etage, erkenne ich unschwer. Unsere Dachgeschosswohnung befindet sich nur zwei Stockwerke über der Praxis.

„Echt?“, bohrt die Erste weiter. Sie versucht verzweifelt, Façon in ihre fettigen Haare zu kneten. Sie erinnert mich an ein gerupftes Huhn. Ich verkneife mir ein Grinsen.

„Ja, doch,“ murmelt die Zweite genervt und verdreht die Augen in meine Richtung. Ich schaue möglichst unbeteiligt zur Seite.

„Das habe ich genau gesehen,“ kreischt die zerzauste Frau und lamentiert weinerlich „Du belügst mich.“ Ihre dralle Freundin seufzt vernehmlich. Ich tue so, als sei ich nicht da. Das Lachen kann ich mir allerdings kaum noch aus dem Gesicht wischen.

„Was soll ich denn machen?“, mault sie. „Wenn ich Dir sage, dass Du scheiße aussiehst, kriegst Du sofort wieder Depressionen und die ganze Therapie ist für die Katz´.“ Ich pruste laut los und flüchte mich nach draußen, da sich zum Glück in diesem Moment die Fahrstuhltüren öffnen.

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